Abschied von Pfarrerin Northe ging zu Herzen und in die Augen
„Es geht zu Herzen und in die Augen“, wischte sich Pfarrerin Beatrice Northe mit einem Taschentuch die Tränen ab – ihre Verabschiedung aus den Diensten der Evangelischen Kirchengemeinde Zwingenberg und damit auch aus dem Evangelischen Gemeindenetz Nördliche Bergstraße am Sonntagvormittag in der Bergkirche bewegte jedoch nicht nur die scheidende Seelsorgerin selbst, sondern auch Kirchenvorstand und Gemeindemitglieder:
Mit Beatrice Northe verliert die Gemeinde nämlich nicht nur eine vor allem in der Konfirmanden- und der Seniorenarbeit überaus engagierte Pfarrerin, sondern überdies auch die halbe Pfarrstelle, mit der seit Mitte der 1990er Jahre die volle Pfarrstelle im ältesten Bergstraßenstädtchen verstärkt wurde. 1994 erhielt der damalige Gemeindepfarrer Erhard Ritzkowski Verstärkung, die evangelischen Nachbargemeinden Zwingenberg und Alsbach teilten sich eine zusätzliche ganze Stelle. Erstmals besetzt wurde diese mit Ulrike Scherf, heute stellvertretende Kirchenpräsidentin, später folgte Steffi Beckmann, die mittlerweile als Klinikseelsorgerin am Kreiskrankenhaus Bergstraße arbeitet.
Weitere Einschnitte folgen
Und weitere Einschnitte für die Ortsgemeinden werden noch folgen: „Zukunftsprozess ekhn2030“, hinter dieser Projektbezeichnung verbirgt sich – vergleichbar mit dem „Pastoralen Weg“ der katholischen Kirche im Bistum Mainz – der Versuch der evangelischen Landeskirche, „die künftige gesellschaftliche Situation ebenso wie die Mitgliederentwicklung und deren Folgen für die Kirche in den Blick“ zu nehmen. Und wenngleich Kirchenpräsident Volker Jung den Prozess nicht allein als Sparmaßnahme, sondern als Prozess der Kirchenentwicklung verstanden wissen will, um in der Kirche „Licht und Luft zum Glauben“ zu schaffen, kann das nicht darüber hinwegtäuschen: Das hauptamtliche Bodenpersonal Gottes wird weniger und die Belastungen für seine ehrenamtlichen Getreuen werden (noch) größer.
Beatrice Northe wollte „ihre“ Zwingenberger jedoch nicht mutlos machen: Ihr sei nicht bange vor den Entscheidungen, die im Rahmen des „Zukunftsprozesses ekhn 2030“ fallen werden, und Zwingenberg befinde sich ja bereits auf einem guten Weg – seit sieben Jahren arbeitet man mit den evangelischen Gemeinden Alsbach, Jugenheim und Ober-Beerbach zusammen, um sich im Zeichen reduzierter Pfarrstellen gegenseitig zu stärken. „Ihren“ Zwingenbergern dankte Beatrice Northe in einer ebenso bewegenden wie bewegten Abschiedspredigt für „die rechten Worte“ und „manche spontane Umarmung“ während ihrer elf Jahre währenden Tätigkeit.
Offiziell aus ihrem Dienst für die Evangelische Kirchengemeinde Zwingenberg entlassen wurde Beatrice Northe von Arno Kreh, dem Dekan des Evangelischen Dekanats Bergstraße. „Ihr Weg durch das Dekanat geht weiter“, skizzierte Kreh die Stationen der Seelsorgerin, die in den Jahren 1991 und 1992 ihr Vikariat in der Heilig-Geist-Gemeinde in Heppenheim gemacht und dann ihren Pfarrerin-im-Probedienst in Mörlenbach absolviert hatte. Nach einer Zeit als Pfarrerin in Viernheim wechselte Northe, die in Bensheim lebt, im Jahr 2011 nach Zwingenberg. Seit Mai arbeitet die Seelsorgerin als Vakanzvertretung, mit einer halben Stelle tut sie in Einhausen, mit einer Viertel Stelle in Lampertheim Dienst.
Der Gottesdienst am Sonntag bildete auch den Rahmen, um an das Ordinationsjubiläum von Beatrice Northe zu erinnern, die am 21. Januar 1996 in ihr geistliches Amts eingesetzt wurde. Eigentlich wollte man das 25. Jubiläum im vergangenen Jahr feiern, „doch Corona machte uns einen Strich durch die Rechnung“, so Arno Kreh, der an Frau Northe nun die entsprechende Urkunde übergab. Von Gott zu erzählen, das sei die zentrale Aufgabe der Pfarrerinnen und Pfarrer, Beatrice Northe tue das auf vielfältige Weise, wünschte Kreh seiner Kollegin Freude an der neuen Herausforderung.
An den von Reinhard Sillus (Orgel) und Heike Städter (Fagott) musikalisch gestalteten Gottesdienst schloss sich ein Umtrunk mit Imbiss ebenfalls im Gotteshaus an. Dabei nutzten etliche Redner die Gelegenheit, um sich bei Beatrice Northe zu bedanken. Allen voran die Vorsitzende des Kirchenvorstands Claudia Willbrand, die ebenfalls mit den Tränen zu kämpfen hatte. Sie bedankte sich nicht nur dafür, dass die Seelsorgerin auch ohne volle Stelle immer zu 100 Prozent im Einsatz war, sondern auch dafür, „dass Sie uns Ehrenamtlichen immer mit großer Wertschätzung begegnet sind“.
Danke im Namen des Magistrats der Stadt Zwingenberg und des Kommunalparlaments sagten Erste Stadträtin Karin Rettig und Stadtverordnetenvorsteher Andreas Kovar im Beisein der Landtagsabgeordneten Birgit Heitland. Rettig bezeichnete es „als Verlust, dass Sie uns verlassen“, aber auch in der Kirche sei „nichts für die Ewigkeit gemacht“. Kovar wird die Seelsorgerin als „Botschafterin Gottes in guter Erinnerung behalten“ und dankte für die kirchliche Begleitung der Kommunalpolitik.
Abschied nahmen auch drei Pfarrerkollegen, nämlich Äneas Opitek von der Katholischen Pfarrei Mariae Himmelfahrt Zwingenberg sowie Northes evangelische Kollegen Christian Hilsberg und Manfred Hauch. Opitek, dem bekanntermaßen der eigene Abschied von der Katholischen Pfarrgruppe Fehlheim-Zwingenberg in wenigen Wochen bevorsteht, wies darauf hin, „dass der, dem wir nachfolgen, der Weg ist – ich wünsche dir, dass du Freude an den neuen Wegen hast“. Hilsberg dankte für tiefgründige Gespräche, aber auch „fürs Quatschen und Quatsch machen“. Und Hauch hatte eine Stimmgabel als Symbol für Northes Begabung als gute Zuhörerin mitgebracht, schenkte ihr aber auch einen Taktstock, weil dem Zuhören auch das – taktvolle – Dirigieren folgen müsse.
In die Schar der Dankenden reihten sich auch die Schwanheimer Kirchenvorsteherin Anette Schneider, die Zwingenberger Kirchenvorsteherin Irene Domsel für das Team der Seniorenarbeit, Kindergartenleiterin Susanne Scheuls für die kirchliche Betreuungseinrichtung, Bodo Keil für den Christlichen Verein Junger Menschen sowie Verena Ränker für die Melibokusschule ein.
Das Schlusswort hatte Beatrice Northe selbst: „Danke dafür, dass ihr meine Ecken und Kanten ertragen habt!“