Die Ober-Beerbacher Kirche wurde um das Jahr 1300 gebaut und ersetzt eine ältere, kleinere Kirche.
Die Wandbilder werden auf das 14. Jahrhundert datiert. Es ist ungewöhnlich, daß ein kleines Dorf wie Ober-Beerbach schon in so frührer Zeit eine eigene Kirche hatte. Die Bauherren waren die Herren zu Frankenstein, denen Ober-Beerbach zu dieser Zeit gehörte.
Die Gemälde sind nach Secco-Art gemalt, d.h. die Farben wurden auf den schon trockenen Putz aufgetragen. Vermutlich wurden sie in der Reformationszeit übertüncht. Erst 1927 entdeckte man bei einer Renovierung die Bilder wieder. Die Fresken ziehen sich nicht nur an den Wänden entlang, sondern bedecken auch das Gewölbe über dem Altar.
Die Wandbilder
Die Bilder zeigen die Passionsgeschichte – Jesu Leiden und Tod sowie die Auferstehung. Die Bilderfolge ist von links nach rechts, und beginnt über der Tür zur Sakristei.
Wahrscheinlich konnte man eine Prozession um den Altar vollziehen. Auch beim Gang zum Abendmahl (Wandel-Abendmahl um den Altar herum) erlebten die Gläubigen Leid und Tod und Auferstehung ihres Herren mit.
1. Bild: Im Garten Getsemane
Dargestellt ist das Geschehen im Garten Getsemane. Jesus betet, und bittet die Jünger, mit ihm zu beten. Er zieht sich zum Gebet ein wenig zurück. Als er wieder kommt, findet er sie schlafend. Das Bild ist nicht ganz erhalten.
Links erkennt man noch einen der Jünger, dessen Augen geschlossen sind – er schläft tief und fest. Rechts dagegen Jesus – er betet mit erhobenen Händen, und bittet Gott darum, den Leidenskelch an ihm vorübergehen zu lassen. Sehr eindruckvoll ist das Gesicht Jesu auf diesem Bild: es zeigt einen Menschen, der in tiefster Not ist, und verzweifelt zu Gott ruft.
2. Bild: Gefangennahme Jesu
Es befindet sich an der linken Innenseite des (zugemauerten) Nordfensters. Es zeigt die Gefangennahme von Jesus. Man sieht Jesus, wie er von Judas geküsst wird, das verabredete Zeichen für die Soldaten, die Ihn verhaften sollen. (Markus 14,44) „…Welchen ich küssen werde, der ist’s, den greifet und führet ihn sicher.“
3. Bild: Jesus vor Pontius Pilatus
(Rechte Seite des zugemauerten Fensters) Jesus vor Pontius Pilatus. Jesus wird von einem Mann in gelben Gewand angeklagt. Am linken Rand (nur noch halb erhalten) sieht man eine Person im Richterstuhl sitzen. Ich glaube dass das Pontius Pilatus sein soll. Warum? Man sehe sich wieder die Gesichter an: Die Hohepriester wollten Jesus töten – Pontius Pilatus dagegen war die ganze Sache ziemlich egal. Der Gesichtsausdruck des Mannes im Richterstuhl drückt Desinteresse aus – er hört nur halb hin und wirkt recht teilnahmslos.
4. Bild: Kein Bild.
Vom 4. Bild ist leider nichts mehr erhalten. Vielleicht war hier Jesus vor den Hohepriestern dargestellt. Die Passionsgeschichte legt dies nahe.
5. Bild: Jesu Geisselung
An der Ostwand (hinter dem Altar). Jesus ist an eine Säule gefesselt und wird ausgepeitscht. Das Gesicht von Jesus spiegelt den Schmerz wieder, sein Kopf ist zur Seite geneigt. Die Folterknechte sind kleiner als Jesus, aber mit Feuereifer bei der Sache. Der am linken Bildrand im gelben Gewand scheint den im roten Gewand, ganz rechts, der die Rute in der Hand hält anzufeuern.
6. Bild: Der Kreuzweg Jesu
Ostfenster, links. Jesus trägt sein Kreuz – er scheint sich darauf zu stützen. Hinter ihm, rot gekleidet ein Mann, offenbar ein Soldat. Der Mann in der gelben Kleidung ist Simon aus Zyrene (Lukas 23,26). Es ist der Augenblick als ihm befohlen wird, anstelle von Jesus das Kreuz zu tragen.
7. Bild: Golgata
Ostfenster, rechts. Golgata: Jesus hängt am Kreuz, das Blut fliesst aus den Wunden, die man ihm beigebracht hat. Links und rechts von Kreuz stehen zwei Menschen, die Jesus beweinen – links Maria und rechts „den Jünger, den er liebhatte“ (Johannes 19,26), womit Johannes gemeint ist. Jesus spricht zu den beiden noch( Johannes, 19,26+27): Zu Maria: „Frau, siehe, das ist dein Sohn!“ Zu Johannes: „Siehe, das ist deine Mutter. Und von der Stunde an nahm der Jünger sie zu sich.“ Der tiefere Sinn darin: In Christus werden wir neue Menschen, eine neue Familie. Wir gehören in Christus zueinander. Die beiden sind auch Zeugen dafür, dass Jesus wirklich gestorben ist, und nicht nur scheintot ist.
8. Bild: Abnahme vom Kreuz
Rechts daneben, in der Ecke. Die Abnahme vom Kreuz. Bemerkenswert ist die Kopfbedeckung des Mannes, der Jesus vom Kreuz nimmt. Er trägt einen Hut, der aussieht wie ein umgedrehter Teller, auf dessen Spitze ein Stab, und darauf eine Kugel. Im Mittelalter war dies die Kopfbedeckung der Ärzte, vergleichbar dem weissen Kittel und Stethoskop heute. Die Bibel nennt seinen Namen: Josef aus Arimathäa. Sie erwähnt auch, dass Josef ein vorbildliches Leben führte und darauf wartete, dass Gott seine Herrschaft aufrichtet. (Lukas 23,50-51) (Markus 15,42-43) Der Mann am rechten Rand ist Nikodemus, den Johannes (19,39) erwähnt.
9. Bild: Jesu Grablegung
Südwand innen. Es zeigt die Grablegung von Jesus. Er liegt bereits im Grab, und der Mann mit dem Arzthut, Josef aus Arimathäa ist damit beschäftigt, Jesus in das Leichentuch einzuwickeln. Links sieht man zwei Frauen, deren Gesichter Trauer und Sorge ausdrücken. Es sind Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Joses (Markus 15,47). Im Hintergrund ist noch das Kreuz dargestellt, von dem Jesus gerade eben abgenommen wurde.
10. Bild: Ostern – Jesu Auferstehung
Südfenster links. Es ist das schönste von allen. Es zeigt Jesus, wie er aus seinem Grab steigt. Mit einem Bein ist er schon draussen, und den rechten Arm und die rechte Hand hat er erhoben, so, als wolle er uns sagen „seht her- ich habe den Tod überwunden!“ Vor dem Grab liegt ein Soldat, er schläft, seine Lanze ist an den Sarg angelehnt.
11. Bild: Jesus begegnet Maria von Magdala
Südfenster rechts. Auf der rechten Innenseite vom Fenster erscheint der wiedererstandene Jesus der Maria von Magdala, die vor ihm kniet nachdem sie ihn erkannt hat. Sie hatte ihn zuerst für den Gärtner gehalten, was die Schaufel in Jesu Hand andeutet. (Johannes 20,15-16)
12. Bild:
Heilige Agnes und Heilige Dorothea
Lange Zeit war unsicher, wer auf diesem Bild dargestellt ist.
Heute (2021) wissen wir mehr: Es dürfte sich um zwei Jungfrauen handeln, die im 3. Jahrhundert lebten und als Märtyrerinnen starben – somit genau die richtigen Vorbilder für ein Frauenkloster, denn das Zisterzensierinnen – Kloster Partershausen bei Heusenstamm, mit welchem das Haus Frankenstein verbunden war, hat wahrscheinlich das Bildprogramm für die Kirche ausgesucht.
Heilige Agnes
*um 237; +ca. 250 in Rom
Agnes stammte aus einer römischen Adelsfamilie, und sollte im Alter von zwölf Jahren verheiratet werden. Sie bekannte aber, dass sie niemals heiraten könne, weil sie um Christi willen Ehelosigkeit gelobt hätte. Daraufhin wurde sie vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Da nach römischen Recht Jungfrauen nicht hingerichtet werden durften, sollte sie stattdessen vergewaltigt werden. Daraufhin habe ihr Haupthaar den ganzen Körper bedeckt und der ganze Platz sei in weissem Licht erstrahlt. Ihr Vergewaltiger konnte sein Vorhaben nicht ausführen, sondern wurde vielmehr von einem Dämon heimgesucht und starb, wurde aber von Agnes durch ihr Gebet ins Leben zurückgerufen.
Darauf wurde sie als Hexe angeklagt und sollte auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Jedoch verbrannte sie nicht, da das Feuer von ihr zurückwich. Daraufhin wurde sie mit dem Schwert enthauptet in der Art, wie man Lämmer schlachtet.
Dargestellt wird Agnes mit einem Lamm, sowie einer Märtyrerpalme.
Gedenktag: 21. Januar.
Heilige Dorothea
*um 279-290 in Caesarea in Cappadocia +um 305 ebenda
Dorothea wurde als Tochter christlicher Eltern geboren. Als der heidnische Statthalter Apricius sie heiraten wollte, wies sie ihn ab weil sie Jungräulichkeit um des Himmelsreiches willen gelobt hatte.
Dies liess sich der Statthalter nicht gefallen, und sorgte für Verurteilung und Enthauptung.
Um Dorotheas Leben sind zahlreiche Legenden entstanden. Eine besagt, dass Dorothea immer wieder den Namen Jesu Christi aussprach. Auf dem Wege zur Hinrichtung spottete der Schreiber des Richters, Theophilus, sie solle doch jetzt, im Winter Blumen aus dem Garten ihres himmlischen Bräutigams schicken lassen, dann würde er selbst auch an Christus glauben.
Dorothea wurde hingerichtet – und kurz darauf brachte ein kleiner Junge / Engel Theophilus ein Körbchen mit Äpfeln und Rosen.
Theophilus bekehrte sich, und starb als Christ.
Dargestellt wird Dorothea mit einem Korb voller Blumen und Früchte sowie Märtyererpalme.
Gedenktag: 6. Februar.
Was macht mich nun so sicher, dass es sich um Agnes und Dorothea handelt?
Ein Besuch im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt brachte mich auf die richtige Spur: Dort steht der „Friedberger Altar“
Die Darstellung der beiden Heiligen ist auf dem Altar ganz ähnlich wie in der Ober-Beerbacher Kirche.
Wo ist aber das Lamm von Agnes? Vermutlich ist es bei der Restaurierung der Wandbilder 1927 nicht erkannt worden und wurde übermalt, wobei man auch die Haltung des rechten Arms von Agnes änderte.
Woran erkennen wir, dass Agnes ein Lamm trug?
Den Hinweis gibt uns Dorothea! In ihrer rechten Hand trägt sie einen Korb, mit ihrer linken Hand zeigt sie auf etwas, was Agnes haben müsste – das einstmal an dieser Stelle dargestellte Lamm.
Die Decke
Die Decke über dem Altar wurde ebenfalls ausgemalt. Das Gewölbe wird durch die Gratsteine in den Ecken in vier Bildfelder geteilt. So ist für jeden der Evangelisten je ein Feld vorhanden.
Evangelist Matthäus
Über dem Ostfenster (hinter dem Altar): Hier ist ein Engel in rotem Gewand dargestellt. Die linke Hand des Engels scheint auf etwas hinzuweisen. Der Zeigefinger zeigt auf das Feld mit dem Adler. In der rechten Hand hält der Engel ein Schriftband, auf dem früher der Name „MATHEVM“ stand.
Der Evangelist Matthäus steht für die Menschwerdung Christi.
Evangelist Lukas
Über dem Südfenster: Die Abbildung eines Stieres. Unter seinem rechten Vorderhuf ist auch hier ein Schriftband zu sehen. Früher stand dort „LVCAS“.
Der Stier und der Evangelist Lukas stehen für den Opfertod Christi.
Evangelist Markus
Westseite (Zum Gemeinderaum): Dieses Bild zeigt einen Löwen. Die Beschriftung seines Schriftbandes, das sich an der linken Vorderpfote befindet ist noch lesbar. Dort steht „MARCVS“.
Der Löwe und der Evangelist Markus versinnbildlichen die Auferstehung Jesu.
Evangelist Johannes
Nordfenster: Über dem zugemauerten Fenster sehen wir einen Vogel, einen Adler. Das Schriftband, das er in seinen Klauen trägt, war früher mit dem Namen „IOHANNES“ beschrieben.
Der Adler, der sich in die Lüfte erhebt, steht für die Himmelfahrt Christi.
Die Bedeutung der Symbole
Die Vier Symbole für die Evangelisten entspringen nicht der Phantasie des Malers. Es handelt sich um Gestalten, wie sie der Prophet Hesekiel sowie der Evangelist Johannes bei ihren Visionen gesehen haben, als sie, jeder zu seiner Zeit, von Gott in den Himmel entrückt wurden. (Hesekiel 1,5.10.22 und 10,14 ) (Offenbarung des Johannes 4,6-8).
Offenbarung 4,6-8: „Und vor dem Thron war es wie ein gläsernes Meer, gleich dem Kristall, und in der Mitte am Thron und um den Thron vier himmlische Gestalten, voller Augen vorn und hinten. Und die erste Gestalt war gleich einem Löwen, und die zweite Gestalt war gleich einem Stier, und die dritte Gestalt hatte ein Antlitz wie ein Mensch und die vierte Gestalt war gleich einem fliegenden Adler. Und eine jede der vier Gestalten hatte sechs Flügel, und sie waren aussen und innen voller Augen, und sie hatten keine Ruhe Tag und Nacht und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war und der da ist und der da kommt.“
Auch die Anordnung ist kein Zufall. Es wird die ganze Geschichte Jesu erzählt. Im Osten fängt es mit der Menschwerdung Jesu an, über seinen Opfertod zur Auferstehung bis zur Himmelfahrt. Und der Evangelist Matthäus, der mit seinem Zeigefinger auf das Feld vom Evangelisten Johannes zeigt, deutet damit schon am Anfang an, woher Jesus kam und wohin er ging: In den Himmel zum Vater.
An der Stelle, an der sich alle vier Felder treffen, ist eine Wolke aufgemalt. Diese Wolke steht für Gott – Gott der höchste, denn die Wolke ist an der höchsten Stelle im inneren der Kirche und Gott, die Mitte von allem, den sie befindet sich genau in der Mitte des Altarraumes, direkt über dem Altar. Der Schlussstein, die Stelle, an der sich die vier Gratsteine treffen, in der Mitte der Wolke ist mit farbigen Ringen und in der Mitte mit einem schwarzen Punkt bemalt. Diese Gestaltung erinnert an ein Auge, und in der Tat soll dies das Auge Gottes darstellen
Engel und Regenbogen
Dieses Bild ist nur vom Altarraum aus zu sehen. Es befindet sich an der innenseite der Mauer zum Gemeinderaum hin. Zu sehen sind zwei Engel, die Posaunen blasen. Zu erkennen ist auch noch der Rest eines Regenbogens. Der Regenbogen ist das Zeichen der Versöhnung zwischen Gott und Mensch (1. Mose 9, 12-17)
Bild im Gemeinderaum: Christophorus
Im Gemeinderaum ist an der Nordwand ein weiteres Bild zu sehen. Durch die später eingefügte Empore und Fenster ist dieses Bild zerschnitten. Zu sehen ist hier Christophorus, der Christusträger, der das Jesuskind durch einen tiefen Fluss trägt. Während er das eigentlich leichte Kind trägt, wird ihm die Last immer schwerer, so dass er es nur knapp an das andere Ufer schafft. Dort gibt sich Jesus zu erkennen. Christophorus erkennt, dass er in Christus die Sündenlast der Welt trug.
Einige Bilder sind nur im Altarraum zu sehen. Das gilt für die Bilder Nr. 2, 11, die der vier Evangelisten und das Engelbild an der Decke. Vielleicht regt diese Beschreibung den ein oder anderen an, nach dem Gottesdienst einmal nicht gleich hinauszugehen, sondern in die andere Richtung, zum Altar, um sich die Fresken genauer anzusehen.
Autor: B. Bickelhaupt
Bilder: 9102-23, 24, 25, 26 : Pfarramt Ober-Beerbach, alle anderen: B. Bickelhaupt (Aufgen. Mai 2005)
18 05 05
rev.16 09 15, 15 03 21, 30 12 21