An(ge)dacht – Gedanken zum Monatsspruch
Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. (Epheser 4,26)
Nicht oft übermannt er mich. Und schon gar nicht gebe ich mich ihm oft hin. Aber doch kenne auch ich ihn: Den Zorn. Er überfällt mich. Er übermannt mich. Ich kann mich dann nicht wehren. Wenn er mich beherrscht, dann bin ich nicht mehr Herr meiner selbst, nicht mehr Herr im eigenen Hause.
Wenn der Zorn verflogen ist, bereue ich, was ich gesagt oder getan habe. Aber dann ist es halt zu spät. Gesagt ist gesagt. Getan ist getan. Und dann braucht es Mut zur Entschuldigung. Und Wiedergutmachung. Was mir nicht leicht fällt. Und ich sie deshalb auch manchmal unterlasse. Mit einem Schuldgefühl.
Zorn gehört in der katholischen Kirche zu den sieben Todsünden. Zorn ist eine Sünde, weil er das Zusammenleben stört, ja: zerstört. Er tut Gewalt an, vergewaltigt und misshandelt seelisch.
Es gibt Menschen, die neigen stärker zum Jähzorn, werden von ihm beherrscht und leiden selbst unter ihm. Sie werden mal wieder laut, schreien und tyrannisieren – teils über Jahre – ihre Mitmenschen. Häusliche Gewalt. Das Gegenüber hat vor den Ausbrüchen dann wieder Angst, wagt nicht, zu widersprechen, weil der Widerspruch noch mehr Zorn bringt. Manchmal bereut auch der Jähzornige.
Manchmal bereut der Zornige aber auch nicht. Ja, er pflegt sogar sehr bewusst seinen Jähzorn, um wieder und immer wieder die Schwächeren zu dominieren. Seelische Gewalt am Arbeitsplatz, an der Schule, innerhalb einer Freundschaft, in der Familie und in der Ehe. Gewalt innerhalb eines Systems, weshalb man die Therapieform, die dies aufgreift „Systemische Therapie“ nennt. Manchmal muss man sich Hilfe von außen holen.
Schwierig wird es, wenn der Zornige seinen Zorn als Lebenshaltung kultiviert und beansprucht, unwidersprochen zu dominieren. Wer den Zorn langfristig nicht widerspricht, sündigt auch.
Und nicht zu lange warten. Sonst verselbstständigt sich der Konflikt.
Ich kann mich gegenüber Zornigen richtig, aber auch falsch verhalten. Falsch wäre es, dauerhaft unterwürfig zu sein. Verständlich ist wohl, kurzfristig den Konflikt nicht weiter anzuheizen. Längerfristig aber muss jeder Konflikt angesprochen und ausgetragen werden. Allerdings nicht nach der Devise: „Auf ein groben Klotz gehört ein grober Keil“. „Aufstehn und sich großmachen“. „Zähne fletschen und brüllen“. Nein: Sachlich argumentieren. Und Konstruktiv. Sachlichkeit und konstruktives Miteinander sind die Alltagserscheinungen der Liebe.
Jesus ist übrigens auch mal zornig geworden. Gegen die Händler im Tempel. Weil der Heilige nicht mehr im Zentrum stand, sondern das Oberflächliche, der billige Ersatz.
Wenn andere zornig auf mich sind, dann muss ich mich aber auch selbstkritisch fragen, ob ihr Zorn gerechtfertigt ist. Und wenn ja, dann muss ich mich entsprechend verhalten und ändern.
Und immer wichtig ist, Sünde und Sünder zu trennen. Jesus hat genau das vorgemacht – bei so vielen Menschen damals. „Jesus nimmt die Sünder an.“, sagt man in frommen Kreisen. Das ist heute nicht mehr unsere Sprache, aber der Inhalt meint: Jesus nimmt den Sünder, den Menschen an. Nicht die Sünde. Nicht der Mensch ist mein Feind, sondern die falsche Haltung. Auch Jesus sagt nicht zu allem „Ja und Amen“, sondern: „Ich aber sage euch …“.
Wo mein Gegenüber spürt, dass nur seine falsche Haltung, nicht er als Person und Mensch angegriffen wird, öffnen sich Fäuste. Und Zorn verfliegt. Wo wir Konflikte angehen, ja lösen, sind wir auf Jesu Spur. Nur Mut!
Ihr Pfarrer Manfred Hauch