An(ge)dacht – Gedanken zum Monatsspruch
Der Engel des HERRN rührte Elia an und sprach: „Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ (1. Könige 19,7)
„Esst euch tüchtig satt“. Wenn ich meine Brüder frage, welche Sätze sie sich von unserer leider verstorbenen Oma gemerkt haben, bin ich sicher, dieser schafft es in die Top 3. Heute lachen wir drüber und erinnern uns gerne an die vielen Mittagessen nach der Schule oder die großen Feiertage, die wir an ihrem noch größer gefüllten Esstisch verbracht haben. Aber als Teenager mit Blick auf die eigene schlanke Linie war das noch ganz anders. Vor allem, weil Oma entschied, wann ein Teller voll war. Halbe Portionen sollten wir weder essen noch werden, so ihre Devise.
Ich nehme an, dass es anderen mit ihrer Oma nicht ganz anders gegangen ist. Vor allem, wenn Oma die Kriegszeit und den Hunger selbst erlebt hatte. Ein bisschen zu viel wiegen war damals schließlich besser als zu wenig. Das kann ich heute verstehen.
Ich denke heute manchmal an das altertümliche Wort „tüchtig“. Hat Oma gemeint, dass Essen Arbeit ist? Dass man darin handwerklich geschickt werden kann? Ich kann sie nicht mehr fragen. Oder meinte sie so etwas wie „Esst, damit ihr tüchtig werdet!“
Meine Oma hatte ziemlich sicher keine Ahnung, was Gojibeeren, Açaibeeren oder Chiasamen sind. Sie gelten als „Superfood“ und sollen helfen, unsere Körperfunktionen besser zu steuern. Laut ihren Vermarktern erlauben sie mir, mich auf der Arbeit oder vor Prüfungen besser konzentrieren zu können. Oder nachher runterzukommen, mit meinem Blutdruck und Stress. Und langsamer altern soll ich angeblich damit auch. So richtig wissenschaftlich nachgewiesen ist das nicht, aber ich merke beim Sport und im sonstigen Alltag schon, wie mich gutes Essen fitter macht als schlechtes oder fehlendes Essen. Der Magen und Darm sind wohl für mein Bewusstsein und Körpergefühl außerordentlich wichtig.
Der Prophet Elia wusste auch nicht, was ein Chiasame sein soll. Er musste sich vor einer Königin und ihren Priestern in der Wüste verstecken und hatte mit dem Leben ziemlich abgeschlossen. „Burnout“, so würde man es heute sagen.
Gott hat mit ihm aber noch einen anderen Plan. Er soll zurückgehen, in die Stadt, in die Höhle des Löwen. Und soll zu Ende bringen, was er mit seinen Predigten begonnen hat. Das Volk Israel soll sich von seinem Irrweg zurück auf den Pfad der Tugend begeben.
Aber bevor das losgeht, wundert er sich in seinem Versteck über einen Teller und Essen darauf, der plötzlich da ist. Er soll sich Mut anessen für den schweren Weg, so sagt ihm ein Bote Gottes. Einige Tage lang wird das immer wieder so gehen, dass Elia sich auf wundersame Weise aufpäppeln und stärken lässt. Und dass er danach einer der großen Propheten des Alten Testaments wird, mit dem später noch Jesus verwechselt werden wird.
Was hätte sich meine Oma über so eine Bestätigung ihrer Theorie zum Mittagessen gefreut.
Ich wünsche Ihnen in diesem Monat einen immer gut und lecker gefüllten Teller und jemanden, mit dem Sie ihn teilen können!
Ihr Pfarrer Johannes Lösch