An(ge)dacht
Machet die Tore weit und Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe! (Psalm 24,9)
Fast wirken sie wie Hohn, diese Worte aus Psalm 24. In dieser Zeit, in der wir unsere Türen, großteils sogar unsere Kirchentüren, fest verschlossen halten für Besuch und Gäste.
Hat uns dieser Text am Sonntag, an Palmsonntag, etwas zu sagen? In dieser Zeit, in der alles so anders ist? Oder ist der Palmsonntag für andere Zeiten, für andere Menschen, für andere Situationen geschrieben?
Ich lade Sie ein, genau hin zu schauen, wovon an diesem Sonntag geschrieben steht, damals, vor langer Zeit, in Jerusalem:
Jesus zieht ein in die Stadt Jerusalem. Er geht dabei aber nicht einfach durch das Stadttor, sondern bereitet seinen Einzug sorgfältig vor. Er bittet die Jünger, einen jungen Esel zu holen. Auf dem wird er reitend in die Stadt einziehen. Später haben Menschen darin die Prophezeiungen aus dem Propheten Sacharja erkannt: „Sagt zu der Tochter Zion: ‚Sieh doch: Dein König kommt zur dir! Von Herzen freundlich ist er. Er reitet auf einem jungen Esel – dem Sohn eines Lasttiers.‘“ (Sacharja 9,9)
Viele Menschen laufen herbei, jubelnd und überglücklich begrüßen sie Jesus in ihrer Stadt. Sie legen Kleider und Palmen auf die Straße, über die Jesus einzieht. Daher kommt der Name des Sonntags: Palmsonntag. Die Menschen greifen hier auf einen Brauch zurück, der höchste Ehrerbietung ausdrückt: Jesus wird von ihnen empfangen, wie es einem König gebührt.
Aber, irgendetwas stimmt in dieser Geschichte doch nicht. Müsste ein König nicht viel mehr auf einem stolzen Pferd reiten? Hoch zu Ross, umgeben mit Wachen und Dienern? Wo ist das Zepter, wo sind die königlichen Insignien von Jesus? Was ist das Land dieses Königs?
Jesus ist ein König, aber anders, als die Menschen es kennen. Gott hat ihn gesandt. Und Gott hat Jesus mit den höchsten Gütern ausgestattet, die wir auf der Welt finden können: Sein Königskron ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit, seine königlichen Insignien sind Liebe und Frieden.
Die Menschen in Jerusalem haben das erkannt. Sie haben Jesus als König willkommen geheißen. Auch, wenn er und sein Köngreich anders aussehen, als sie es erwartet haben.
Kann die Geschichte von Palmsonntag heute für unsere Situation etwas Gutes beitragen?
Heute können und dürfen wir unsere Tore und Türen in der Welt nicht öffnen. Aber ein bestimmtes Lied, das Sie mittlerweile vielleicht schon zu summen begonnen haben, ruft uns zu, unsere Herzenstür zu öffnen und Jesus zu empfangen. Auch, wenn der Empfang anders stattfindet, als wir es uns vorgestellt haben: „Komm oh mein Heiland, Jesus Christ, meins Herzens Tür dir offen ist.“
Mit offenen Herzenstüren können auch wir den König der Liebe und des Friedens willkommen heißen, trotz oder gerade wegen der Verschlossenheit, die unsere Welt derzeit erlebt. Und mit dem Adventslied gemeinsam loben und preisen wir gemeinsam: „Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein. Er ist die rechte Freundensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn.“
Eine gute Karwoche wünscht Ihnen
Ihr Pfr. Christian Hilsberg
p.s.: und wer das Lied noch nicht zuordnen konnte, suche in unserem Gesangbuch ganz am Anfang 🙂