Alsbacher Siebenbürgenreise 2018 – ein Fazit
Was bleibt haften nach sieben Tagen Einsichten in die Aussichten Siebenbürgens und in die Ansichten ihrer Bewohner im Herbst 2018? Offenbar recht unterschiedlich Bewegendes. So sieht auch das Fazit für uns neun Besucher aus Deutschland verschieden aus.
Die Teilnehmer aus drei südhessischen evangelischen Gemeinden und aus Württemberg zogen ihre unterschiedlich farbigen Schlüsse aus ihren Erlebnissen und Gesprächen in Siebenbürgen, die um Überleben und Aufgeben, zwischen Absterben und Beleben kreisten. Auch zwischen Wundern und Resignieren. Extreme, die in Siebenbürgen verbliebene fünfzehntausend Siebenbürger Sachsen spürbar bewegen und die sich uns Besuchern dieser bewundernswerten Menschen in ihrer wunderschönen Landschaft – auch „Transsilvanien“ genannt – täglich mitteilten.
Wir begannen diese Reisewoche an einer Gedenkstätte für 1916 im Ersten Weltkrieg gefallene österreichisch-ungarische und deutsche Soldaten. In Michelsberg, einem kleinen Karpatendorf bei Hermannstadt/Sibiu. In einer frühromanischen Kapelle, die seit mehr als 8oo Jahren Zeuge einer bewegten und bestandenen europäischen Auswanderergeschichte ist, am Eingang zu einem sächsischen Straßendorf inmitten von Obstgärten und Fichtenwäldern. Von Menschen, deren Vorfahren hier siedelten, sich verteidigten, bewehrten, behaupteten, die erbauten und bebauten, sich mit den umwohnenden Rumänen, Ungarn und Roma vertrugen, sie in ihren Konfessionen, den Rumänisch-Orthodoxen, den Ungarisch-Reformierten, den Katholiken, den Unitariern und den Griechisch-Katholischen respektierten und als Lutheraner respektiert wurden, ohne Religionskriege. Die das auch heute noch so halten. Und die bewusst dort geblieben sind, auch als nach der Wende die meisten ihrer sächsischen Nachbarn diese ihre Heimat verließen. Hier in Michelsberg wurden wir freundlich beherbergt.
Wie kann man diese mehr als achthundertjährige Geschichte in sieben Tagen aufnehmen, verstehen, mitleiden? Wir versuchten es durch zahlreiche Gesprächs-Begegnungen in Dörfern des „Königsbodens“ und in Hermannstadt, in Schulen, in Pfarrhäusern und in Bauernhäusern, bei Alt-Siebenbürger-Sachsen und neu zugezogenen Schweizern, Holländern, Bundes-Deutschen, und mit Wieder-Zurückgekehrten.
Uns taten sich dort Türen auf, die für Pauschaltouristen verschlossen bleiben. Wir kamen zur Begegnung und zum Zuhören. Das waren eindringliche Gespräche mit einem Gemeindevorsteher (Kurator), der geschätzte hundert verbliebene sächsische Dorfbewohner beieinander hält, dem Bischof, der fünfzehntausend Evangelische bewusst beim Bleiben ermutigt, junge Lehrerinnen, die gerne in ihren deutschsprachigen Dorfschulen unterrichten, ein rumänischer Stadtführer, der sein fließendes Deutsch und seine Ortskunde in der Hermannstädter Bruckenthalschule gelernt hat und respektvoll weiter trägt. Eine Philologin, die uns in ihrem Museum diese achthundert-jährige Geschichte fröhlich lebendig machte, als habe die gerade ihren Höhepunkt erreicht. Auch ein sächsischer Wandmaler, der seit fünf Jahren eine rumänisch-orthodoxe Dorfkirche bibelgerecht farbig ausmalt oder unsere Elimheim-Hauswirtin in Michelsberg, die mit ihren sächsischen Helferinnen Jahr für Jahr hunderte von Besuchern aus Rumänien, Deutschland, Österreich mütterlich beherbergt, berät und versorgt. Und eine rumänisch-orthodoxe Nonne, die uns „Drum Bun!“ wünscht – einen guten Weg in diesem Land!
Es gab wohl auch Leute darunter, die ihre Traurigkeit zeigten über die große Auswanderungs-Flucht nach der Wende, auch die der gegenwärtig zweieinhalb Millionen rumänischer Arbeits-Emigranten nach Wohlstands-Europa. Aber kaum Jemanden, der resignierte und der das Ende prophezeite. Beeindruckend die tägliche würdig stille Bürger-Demonstration von alten und jungen Rumänen, Sachsen, Ungarn im Zentrum von Hermannstadt vor dem Büro der umstrittenen Regierungspartei gegen deren Korruption in Bukarest.
Unser Fazit: Das Überleben braucht Vertrauen, Ermunterung und Begleitung– auch aus Begegnungen wie jüngst mit uns „Bergsträßern“. Solche Begegnungen müssen weiter stattfinden! Dieser Teil Europas braucht die Anderen!
Wer also kommt nächstens wieder mit nach Siebenbürgen? Am Palmsonntag zur Konfirmation in der Kirchenburg von Heltau/Cisnadie zum Beispiel. Oder zum Singen am 1.Mai auf die Burg in Michelsberg, zur gegenseitigen Ermunterung und Ermutigung? Wir haben schon eine Einladung zur Gemeindepartnerschaft in der Reisetasche. Drei Konfirmanden in Heltau freuen sich auf eine Einladung an die Bergstraße.
Unsere Gastgeber erinnerten uns an das Zukunftswort unseres Reformators: …und wenn ich denn wüsste, dass morgen die Welt unterginge – ich würde noch heute mein Apfelbäumchen pflanzen!“ Fünfzehn solcher Apfelbäumchen wurden im Reformationsjahr an siebenbürgischen Erinnerungsstätten gepflanzt. Es gibt noch Plätze für weitere – zum Beispiel für Bäumchen aus der Hessischen Bergstraße! Das ist gewisslich wahr!
Peter Dehmel