Gedanken zum Monatsspruch
Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. (Hebr 11,1)
„Ich sehe was, was du nicht siehst und das hat die Farbe …“ ein bekanntes Kinderspiel, was man zu allen Tagezeiten und auf allen Plätzen spielen kann. Es benötigt dazu nur wenige Mitspieler, die alle gute Beobachter sind und die ihre Umgebung bewußt wahrnehmen können. Die kleinste Begebenheit, die versteckteste Form oder die unmerklichste Sache wird dabei beschrieben und mit Fragen pirscht sich der Mitspielende an die Lösung heran.
„Ich sehe was, was du nicht siehst“– eine Vision muss der Mensch haben, sonst würden keine Entwicklungen geschehen, keine neuen Erfindungen auf unserem Weltmarkt zu finden sein. Einer muss über das Gewohnte hinausblicken können und Innovationen wagen. Er muss sich in Bewegung setzen.
„Ich sehe was, was du nicht siehst,“ – meint es: ich kann mir schon vorstellen, was werden soll, wenn ich eine leere Leinwand vor mir habe und eine Palette voller Farben?
Ich entwerfe vor meinem inneren Auge eine Landschaft, ein Stilleben, ein Portrait und lasse es durch meine Pinselstriche Wirklichkeit auf der Leinwand werden? Eine Abbildung meiner Vorstellungskraft und meines mehr oder weniger ausgeprägten künstlerischen Könnens? Also doch ein Handwerk, was ich zuerst erlernt habe?
„Ich sehe was, was du nicht siehst …“, fordert mich heraus, heraus zu gehen, von meinem gewohnten Blickwinkel aus die Umgebung zu sehen, hinein in die Perspektive meines Mitmenschen, in den Blickwinkel des anderen zu treten. Ich muss mich von meiner Vorstellungswelt lösen und loslassen um die andere Sichtweise anzunehmen. Ich muss also auch meinen gewohnten Platz aufgeben um mit den Augen des anderen sehen zu lernen.
Wohin schaut er oder sie gerade jetzt? Bei dem Spiel ist es von Vorteil, eben gerade nicht in die Richtung zu schauen, in der man den Gegenstand sieht, den man beschreibt. Man möchte ja möglichst lange Zeit den Ratenden im Ungewissen lassen. Das erhöht die Spannung und je überraschender die Lösung, desto besser wurde der zu erratende Gegenstand „ versteckt“.
Es liegt also auch an der Geschicklichkeit des Ratenden, sich mit seinen Fragen an den Gegenstand heranzupirschen.
„Der Glaube ist ein Vertrauen, ist eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem , was man nicht sieht“– oder sollte man eher sagen was man noch nicht sieht? In der Folge werden uns Menschen genannt, die sich auf Gott verlassen und im Vertrauen einiges in ihrem Leben zu Wege bringen, von dem sie sicher zu Beginn ihrer Unternehmung keine Vorstellung hatten wie das Ergenbnis aussehen sollte. Hier wird deutlich: die christliche Auffassung des Glaubens lädt zur Bewegung, zum Mittun ein. Glaube ist eine ungemein dynamische Angelegenheit, wie die Liebe und die Hoffnung auch.
Um den Glauben zu erproben, kann ich nur meinen als sicher gewöhnten Standort tauschen. Ich muß meine Standpunkte und Überzeugungen aufs Spiel setzen, ich muß in Bewegung kommen, um vom Ich zum Du zu gelangen.
„Ich sehe was, was du nicht siehst …“, sagt Gott und lädt uns zu diesem Wagnis des Glaubens ein.
Herzliche Grüße Pfarrerin B. Northe