Gedanken zum Monatsspruch
Die Wahrheit kommt mit wenigen Worten aus
„Es ist vollbracht!“ Das sagen sich hunderttausende Deutsche am Freitagnachmittag, wenn sie ihren PC herunterfahren, ihren Schreibtisch aufräumen und aus dem Bürostuhl aufstehen. „Es ist vollbracht“: Die große Präsentation ist gehalten, die letzte Prüfung ist absolviert. Was für eine Aussage! Endlich mal die Hände in den Schoß legen und dort Fünfe gerade sein lassen. Weil ich weiß: Ich habe meinen Teil erledigt. Jetzt ist jemand anderes dran. Oder die Sache läuft von selbst.
Und das alles braucht keine langen Ausführungen. Drei kleine Wörter reichen.
Linguisten haben herausgefunden, dass die deutsche Sprache besonders geeignet ist, in wenigen Worten viel zu sagen. Zumindest im Vergleich zu Spanisch, Französisch und Japanisch. Menschen dieser Muttersprachen sprechen statistisch gesehen schneller (acht Silben pro Sekunde gegenüber sechs Silben) und mit mehr Wörtern – übermitteln aber in derselben Zeit etwas weniger Inhalt an die Zuhörenden. Deutsche Effizienz, könnte man sagen.
Aber geht es beim Sprechen nur um den Inhalt? Sprachwissenschaftler sagen nein. 93% unserer Botschaft sei „nonverbal“, gehe also über die Art, wie wir Dinge aussprechen, wie wir gestikulieren oder wie wir unser Gesicht ausdrücken, wenn wir reden.
Ein klares Votum dafür, sich kürzer auszudrücken, wenn Sie mich fragen. François de la Rouchefoucauld hat darüber im 17. Jahrhundert geschrieben: „Große Geister pflegen mit wenig Worten viel, kleine Geister mit vielen Worten nichts zu sagen.“
Jetzt aber zurück zu dem Spruch „Es ist vollbracht.“ Der stammt aus der Bibel und wird uns am Karfreitagsgottesdienst am 30. März neu vorgelesen. Jesus soll ihn laut Johannesevangelium gesagt haben, als er am Kreuz hängt und stirbt. Als Zusammenfassung seiner Mission auf der Erde.
Keine große und lange Rede. Sondern drei kleine Worte. Aber was die für einen Eindruck auf die Umstehenden gemacht haben müssen. Stünden sonst heute Kathedralen, Bergkirchen oder Dorfkirchlein in fast allen Ländern der Welt?
Übrigens, zum Thema sprachliche Effizienz: Der griechische Originaltext kommt an der Stelle mit einem einzigen Wort aus: „Tetelestai“.