Gedanken zum Monatsspruch
„Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.“ (Lukas 13,30)
Erinnern Sie sich noch an die Olympischen Sommerspiele 2016? Die fanden in Rio de Janeiro statt, bei ganz milden Temperaturen. Es war zu der Jahreszeit ja dort auf der Südhalbkugel auch Winter. Viele von Ihnen haben sicher Usain Bolt zugejubelt, der in seinem sechsten Lauf die sechste Goldmedaille holen konnte. Was für eine Karriere!
Oder Michael Phelps. Der Amerikaner beendet in Rio mit seiner 23. Olympischen Goldmedaille seine eindrucksvolle Karriere.
Mein Highlight war aber ein anderes: Die US-amerikanische Leichtathletin Abbey D’Agostino sicherte sich im Vorlauf über 5000 m bei den Olympischen Spielen in Rio mit einer rührenden Geste die Sympathien eines Millionenpublikums und sorgte für ein kleines olympisches Märchen.
Und zwar so: Gerade ist sie mit der Neuseeländerin Nikki Hamblin kollidiert und über sie gestürzt. Ihre Träume enden in einem Wimpernschlag. Aber sie steht auf, nimmt ihre Kontrahentin an der Hand und sagt: „Komm hoch, komm hoch. Wir müssen ins Ziel laufen. Das sind die Olympischen Spiele, wir müssen das zu Ende bringen!“
Das fällt ihr aber schwer. Ihr Kreuzband und ihr Meniskus sind beim Sturz gerissen, wie sich später herausstellen sollte. Aber sie schafft es, gemeinsam mit ihrer Kontrahentin aus Neuseeland. Zwei Minuten Rückstand haben die beiden auf die Siegerin des Vorlaufs. Im Ziel fallen sie sich in die Arme. Eine Freundschaft fürs Leben?
Klar, eine Goldmedaille wäre schön gewesen. Ich denke aber, dass ich mich an die Siegerin Abbey D’Agostino heute nicht mehr erinnern könnte. An den Menschen Abbey D‘Agostino, der in seinem knappen Lauftrikot steckte, erinnere ich mich aber noch sehr gut.
„Nach dem Sturz bin ich instinktiv weitergelaufen. Ich habe verstanden, dass Gott mein Herz darauf vorbereitet hat, auf diese Weise zu antworten. Er hat mir von Beginn an klargemacht, dass meine Erfahrung in Rio mehr als die reine Leistung im Rennen sein wird”.
Besser als in ihrem Fernsehinterview nach dem Rennen kann auch ich als Pfarrer es nicht sagen. Gewinnen und Erster zu sein ist schön. Aber Mensch zu sein und menschlich zu handeln, das kann sogar noch schöner sein. Auch wenn man dafür meistens keine Medaille bekommt.
Ihr Pfarrer Johannes Lösch