Gedanken zum Monatsspruch
„Der Herr gab zur Antwort: Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des Herrn vor dir ausrufen. Ich gewähre Gnade, wem ich will, und ich schenke Erbarmen, wem ich will.“ (Exodus 33,19)
„ Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen..“ – als ich den Anfang dieses Verses las, habe ich mich in meinem letzten Urlaub auf dem Liegestuhl liegend gesehen und den Schiffen nachblicken, die auf dem unglaublich türkisblauen Wasser der Adria an mir vorüberzogen; Delphine, die am Morgen plötzlich vor der Küste aus dem Wasser sprangen, strahlend blauer Himmel. Die Schönheit Gottes, die sich in der Schönheit seiner Schöpfung zeigt. Wenn Gott in dieser seiner Schönheit an uns vorüberzieht, fühlen wir uns ihm ganz nah. Dann fallen uns Lob, Staunen und Dankbarkeit nicht schwer. Gerade in den bevorstehenden Ferien sind wir dafür viel empfänglicher als zu anderen Zeiten. Und wir freuen uns darauf, nicht selbst „machen zu müssen“, sondern Schönheit an uns vorüberziehen zu lassen – und sie zu genießen.
Aber zunächst einmal möchte ich mich Ihnen vorstellen.
Mein Name ist Karin Herrmann – Brandenburg; einige von Ihnen werden mich kennen. Ich bin seit 8 Jahren Klinikseelsorgerin hier an der Bergstraße. In diesem Sommer unterstütze ich zusätzlich die Kollegen und Kolleginnen im Gemeindenetzwerk bei Gottesdiensten und Kasualien, bis Sandra Matz im September aus ihrer Elternzeit zurückkommt.
Als Klinikseelsorgerin lese ich viele Texte inzwischen auch mit anderen Augen.
Bei dem Besuch eines schwerkranken Patienten auf der Intensivstation in der Jugenheimer Klinik versuchte ich ihn aufzumuntern, indem ich ihn auf die blühenden Bäume, die er direkt von seinem Fenster aus sehen konnte, und die länger werdenden Tage hinwies. Doch er antwortete: „Das ist für mich eher schwer. Dann bleibt noch so viel Tag, wenn die Kraft längst zu Ende ist.“
Manchmal ist gerade die Schönheit der Schöpfung, das pulsierende Leben draußen besonders schwer zu ertragen, wenn man daran nicht Anteil haben kann, sich ausgeschlossen fühlt durch Krankheit oder Trauer. Und dann gewinnt der zweite Teil der Monatslosung eine zusätzliche Schwere.
„ Ich gewähre Gnade, wem ich will und ich schenke Erbarmen, wem ich will.“
Ist Gott willkürlich?
Warum gewährt er dem einen Gnade und Erbarmen und der anderen nicht?
Die Frage “Warum?“ – ist in der Klinik ständiger Begleiter.
Ich will Sie in den Text führen, in dem dieser Vers verortet ist. Mose hat von Gott die 10 Gebote bekommen. Das Volk hat sich während seiner Abwesenheit von Aaron das sog. Goldene Kalb bauen lassen. Es wollte einen Gott, den es sehen und anfassen kann. Mose zerstörte aus Zorn darüber die Steintafeln bei seiner Rückkehr. Auch Gott wollte sich von diesem untreuen Volk abwenden; aber Mose bat um Gnade. Und Gott gewährt sie. Er bestellt Mose erneut zum Führer dieses Volkes. Und Mose bittet darum, ihn sehen zu können, damit er mit dieser Aufgabe nicht so allein ist. Daraufhin antwortet ihm Gott:
„Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des Herrn vor dir ausrufen. Ich gewähre Gnade, wem ich will, und ich schenke Erbarmen, wem ich will.“
Es ist gerade der erbarmende Gott, der sich seinem untreuen und schwachen Volk wieder zuwendet und sich in seiner Schönheit, bei Luther heißt es: Güte, zeigt und vorangeht. Und dieser Mose verwandelt sich in der Begegnung mit Gott, dass „ die Haut seines Angesichts glänzte“, als er zurückkam.
In den 8 Jahren meiner Klinikseelsorgetätigkeit hat sich mein Blick auf das Leben verändert. Leben ist ein Geschenk. Wenn Gott uns Gnade und Erbarmen gewährt, sollten wir dies dankbar annehmen. Und wir dürfen seine Schönheit, die sich in seiner Schöpfung spiegelt, aus vollem Herzen genießen. Vielleicht glänzt dann auch unsere Haut bei der Rückkehr in den Alltag.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine Wunder-volle Sommerzeit.
Karin Herrmann – Brandenburg